Wie entstanden die ersten Eigenheime und Flüchtlingswohnungen in der Stadt Neuss?
Im Monat Mai 1947, in einer Zeit, in der die Not durch Warenmangel auf allen Gebieten am größten war, haben die Männer der Selbsthilfe, auf dem Gelände am Grundwässerke mit dem ersten Spatenstich für ihre Häuser begonnen.
Steine wurden aus den Trümmern geborgen, Holblocksteine selbst gefertigt, Baumstämme in den Granatwäldern der Eifel gefällt und auf selbstgebauter Kreissäge an der Baustelle in Balken und Bretter geschnitten.
Die Siedlerfrauen und Kinder reinigten die alten Ziegelsteine vom Mörtel und Beton. Die Männer schachteten aus, gossen Betonpodeste und Betonstürze für Fenster und Türen, mauerten, zogen Betondecken ein, fertigten Fenster und Türen, bauten Dachstühle auf und deckten Dächer.
46 Männer aller Berufe an der Arbeit, aber auf der Bausteller Handlanger als Maurer, Zimmermann, Dachdecker, Klempner, Schreiner, Bauführer und Architekt.
So arbeiteten sie in jeder Freizeit neben ihrem Beruf mehr als 3 Jahre trotz mangelnder Ernährung, ohne Unterbrechung mit unbeschreiblichem Fleiß.
Sie schufen für sich und ihren Familien ein eigenes Heim und für etwa 30 Flüchtlings Familien eine Wohnung.
An dieser Stelle sei in besonderer Ehre aller gedacht, die an diesem schönen Werk sich tatkräftig beteiligten und zu seinem Gelingen beitrugen.
Die Männer danken dabei insbesondere den Wiederaufbauministerien, die in der Reichsmarkzeit ihre Bezugscheine für Baustoffe gaben und die nach der Währungsreform bei der der Rest des ersparten Eigenkapitals abgewertet wurde, Darlehen zur Verfügung stellen.
So nur konnten ihre Häuser fertig gestellt werden. Auch der Stadt Neuss, die mit einem Teildarlehen zum Abschluss half, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Seit 3 Jahren und teilweise fast 4 Jahren bewohnen nun mehr die Eigenheimer ihre Häuser.
Sie halfen durch ihre erfolgreiche Arbeit die Wohnungsnot der Stadt Neuss zu lindern.
Als Anerkennung für ihren Fleiß und den vorbildlichen Bürgersinn werden in absehbarer Zeit die Häuser aufgelassen und den Männern der Selbsthilfe am Grundwässerke als Eigentum überlassen.
Auszug aus der NGZ vom 25.04.1949
Zwischen Eisenbahndamm und Nordkanal
Am Ende der Marienstraße werden noch dieses Jahr 46 Baustellen der Heimstätten-Baugenossenschaft „Selbsthilfe“ fertig
In vielen amtlichen und halbamtlichen Verlautbarungen an offizieller und nicht offizieller Stelle, über den Rundfunk, in den Stadt- und Gemeindeverordneten-Versammlungen, und so weiter wird- zur Verbesserung der katastrophalen Wohnungsverhälnisse- auf die Notwendigkeit des forcierten Wohnungsbaues hingewiesen.
Keine Frage: Die Notwendigkeit der Unterstützung des Wohnungsbaues mit allen nur möglichen Mitteln wird allseits anerkannt.
Theoretisch: aber auch praktisch?—Auch das wenigstens zum Teil. Das soll gesagt werden.
Es muss aber noch mehr geschehen. Im Interesse der vielen, vielen Wohnungssuchenden.
Die Neusser Heimstätten Wohnungsbaugenossenschaft „Selbsthilfe“ die eine Reihe von Bauvorhaben: Am Ende der Marienstraße („Em Grundwässerke“), am Grünen Weg und in Reuschenberg (und als Kriegsbeschädigten-Siedlung an der Langen Hecke in Reuschenberg, am Grünen Weg in Grimlinghausen) zu verwirklichen sucht, erhielt das Prädikat der Gemeinnützigkeit und damit die Aussicht, besonders großzügig unterstützt zu werden.
Wenn die genannte Baugenossenschaft bald in den Genuss der Landesregierung zugesagten Zuschuss kommt, werden noch in diesem Jahr am Ende der Marienstraße 46 Baustellen fertig werden, das heißt 46 Familien mit insgesamt 127 Köpfen bekämen ein Siedlungshaus mit durchschnittlichen 700qm Land, wovon 600 bis 650qm Nutzfläche sind.
Die Stadtgegend „hinter der Bahn“ das Heißt: in dem Winkel zwischen den mächtigen Eisenbahndämmender Strecken Neuss—Köln, Neuss—Gladbach, Neuss—Viersen und dem Nordkanal ist typisches Vorstadtmilieu: Felder, Hecken, schmale Wege, Gärten, sporadisch verteilte kottenmäßige Häuser. Hier entsteht die Siedlung, Parallel der bisher erfolgten 50prozentigen Finanzierung befindet sich etwa die Hälfte der Siedlungshäuser in Bau und zwar in den verschiedensten Baustufen von der Ausschachtung bis zum Schlüsselfertigen Zustand. Eine Reihe der Häuser ist schon bewohnt. Die Häuser sind auch geräumiger und kofortabler,als man sie gemeinhin als Siedlungshäuser antrifft. Sie haben je Familie vier Räume mit einem Erker (die Größe der Zimmer: 5,50 mal 3,50 bzw. 7,00 mal 5,50 Meter) dazu Badezimmer und die anderen üblichen Nebengelasse, Stall für das Vieh und so weiter. Das macht alles einen freundlichen Eindruck.
Die Baugenossenschaft heißt „Selbsthilfe“ ihr Sinn ist also Gemeinschaftsarbeit. Die Siedlersind in Arbeitsgruppen eingeteilt, die von einem Baufachmann geleitet, bestimmte Arbeiten gemeinschaftlich ausführen. Dabei muss die Arbeit jedes einzelnen Mitgliedes bis zur vollkommenden Erledigung der Baugruppenarbeiten in Anspruch genommen werden. Man hat darin bis heute gut Erfahrungen gemacht, so dass die besten Aussichten für das Gelingen des Gesamtwerkes vorhanden sind.
Die Stadtverwaltung Neuss leiht dem Werk weitreichende Hilfe. Deutlich tritt die Tatsache in Erscheinung bei der Aufschließung des Geländes, die ja notwendig ist, da die Siedlung fast ausschließlich mitten im Gelände ersteht. Die städtebauliche Erschließung ist interessant genug, da Neues mit bereits vorhandenem organisch verbunden werden wird. Zwar werden auch die neuen Straßen zu einem großen Teil von den Siedlern angelegt werden, aber die Stadtverwaltung sorgt darüber hinaus für Straßenschüttungen, für Trazierung, die Anlegung der Versorgungsleitungen und die Herstellung der Verbindungen.
So wird die Buschstraße geschaffen, die demnächst einmal mit der Marienstraße Verbindung haben wird. So auch die Cruchembuschstraße, die in einem Halbbogen von der Niersstraße nach Nordwesten bis zur Eintrachtstraße vorstößt. Wo die beiden neuen Straßen (Busch- und Cruchembuschstraße) aufeinandertreffen, soll ein Platz entstehen, auf den von Süden aus im Zuge des Judenbrückchens (Tunnel durch den Eisenbahndamm) eine Verbindung von der Rheydter Straße her, etwa parallel der Zeppelinstraße hergestellt werden kann. Nicht heute aber demnächst vielleicht mal.
So stellt sich das Bauvorhaben „Em Grundwässerke“ der Neusser Heimstätten Baugenossenschaft als ein höchst positives Werk dar.
Oft kommen von auswärts Fachleute und Abordnungen von Siedlungslustigen, von Baugenossenschaften und amtlichen Baustellen, um sich Rat zu holen und ein gutes Werk in natura zu studieren, um daraus für sich selbst Vorteile zu ziehen.
Vor einiger Zeit war der Aufnahmewagen des NWDR an Ort und Stelle und machte hinterher einen großen Hörerkreis mit den praktischen Dingen „Em Grundwässerke“ bekannt.
Anscheinend besteht also im weiten Umkreis ein weitreichendes Interesse an den Erfahrungen, die man in der „Selbsthilfe“ gesammelt hat.
Dies aber erscheint als ein vollgültiger Beweis dafür, dass die Neusser Heimstätten-Baugenossenschaft „Selbsthilfe“ es verdient, von der Regierung und allen anderen Amtsstellen in ihren Bestrebungen umfassend unterstützt zu werden.